
Hilfe, mein Hund beißt – ist der noch normal?!
Über die Auswirkungen von Krankheiten auf Körper und Psyche
Jeder Hundehalter, der zu mir in die Beratung kommt mit einem Hund, der Verhaltensauffälligkeiten – insbesondere im Aggressionsbereich – zeigt, wird von mir folgende Frage hören: Hast du Gewissheit, dass dein Hund komplett gesund ist?
Das klingt banal und in der Theorie ist das jedem geläufig. In der Praxis wird das jedoch nicht immer konsequent überprüft, was für den Hund fatale Folgen haben kann.
In der Forschung wurde herausgefunden, dass 20-30% der verhaltensauffälligen Hunde gleichzeitig eine klinische Erkrankung haben. Von dieser Gruppe wiederum haben 40% der Hunde eine Erkrankung am Bewegungsapparat (Köhler, 2005)! Auch andere Studien weisen auf einen signifikanten Zusammenhang zwischen Krankheiten und Aggressionsverhalten hin (Schöning, 2017).
Was hier in Zahlen erfasst wurde, kennst du sicher selbst: (Langanhaltende) Schmerzen machen reizbar, verursachen Stress und beeinträchtigen die Lebensqualität. Gleichzeitig sind die meisten Hunde unheimlich tapfer und versuchen, das Beste aus ihrer Gesamtsituation zu machen, sodass sie sich lange nichts anmerken lassen.
Dabei muss es nicht immer so sein, dass eine Erkrankung der primäre Auslöser für Verhaltensauffälligkeiten ist. Manchmal ist auch so, dass im Laufe der Zeit Erkrankungen entstehen und dadurch belastende Verhaltensmuster aufrechterhalten werden. Das wiederum verursacht Stress, die Schmerzen werden noch stärker und die Verhaltensprobleme schleifen sich weiter ein – ein Teufelskreislauf beginnt!
Chronische Schmerzen, also Schmerzen, die sehr lange anhalten, können sich zudem manchmal verselbstständigen: Es entsteht ein sogenanntes „Schmerzgedächtnis“. Das bedeutet, selbst wenn die Ursache für den Schmerz später entdeckt und erfolgreich behandelt werden, erlebt ein Lebewesen weiterhin Schmerzen.
Aber auch andere Erkrankungen, die nicht immer Schmerzen, aber Unwohlsein verursachen, können mitverantwortlich sein, wenn ein Hund Verhaltensauffälligkeiten zeigt: Zum Beispiel Schilddrüsen- oder Autoimmunerkrankungen, Allergien, nachlassende Sinnesleistungen (z.B. Ohren und Augen) und viele andere Krankheiten.
Übrigens: All das muss nicht unbedingt das Aggressionsverhalten eines Hundes begünstigen – manche Hunde neigen bei Erkrankungen eher dazu, depressiv zu werden und sich stark zurückzuziehen oder andere Symptome auf der Verhaltensebene zu entwickeln.
In diesem Sinne: Gehe lieber einmal mehr als einmal zu wenig zu einem Tierarzt (und zu einem Physiotherapeuten) deines Vertrauens. Eine ganzheitliche Perspektive auf das Wesen deines Hundes ist unerlässlich, wenn du die Ursachen für sein Verhalten verstehen und lösen möchtest.
Ich wünsche euch viel Gesundheit!